Wenn man mit Wissen beeindrucken will, eignet sich Marie Curie ganz ausgezeichnet: Sie ist der erste Mensch, der zwei Mal den Nobelpreis erhalten hat – und sogar in zwei unterschiedlichen Kategorien. Sie hat mich schon immer beeindruckt. Tieferes Wissen über sie hatte ich nicht, das sollte meine erste Graphic Novel „Marie Curie: Ein Licht im Dunkeln“ ändern. Und das tat sie!

Ich habe viel über diese „Marya Skłodowska“ aus Warschau (damals Teil des russischen Kaiserreichs) gelernt. Schon mit diesem Namen und den Umständen kann ich jetzt angeben. Oder damit, dass ich weiß: Sie hat als Hauslehrerin gearbeitet, um Geld fürs Studium in Paris zu verdienen. Oder dass ihre erste Liebe nicht Pierre Curie war.

Die Autorinnen Frances Andreasen Østerfelt und Anja C. Andersen haben viel Wissen zusammengetragen, das in Fakten und Bildern vermittelt wird. Und diese Bilder zeigen die Welt und Marie Curie eckig und kantig, in einer Mischung aus Zeichnung, Druck und Collage, und erweitern damit den Text um eindrucksvolle Bilder. Sie stammen von der polnischen Illustratorin Anna Błaszczyk, was ihnen – gerade für die Kinder- und Jugendzeit – eine zusätzliche Tiefe gibt, da sie polnische Worte und Autoren in den Bildern unterbringt. Und tatsächlich ist ein unabhängiges Polen Marie Curie sehr wichtig – einem der von ihr entdeckten Elemente wird sie den Namen Polonium geben, nach der lateinischen Bezeichnung für dieses Land, auch das kann man im Buch erfahren.

Mich beeindrucken die Bilder, von denen mir manche sofort im Gedächtnis blieben – wie jenes in Paris, als Marya Skłdowska noch Studentin ist und im ungeheizten Zimmer vor Kälte nicht schlafen kann. Sie legt auf ihre Decke noch ihren Teppich, all ihre Kleider und sogar den Stuhl, um erst dann zu denken: „Das ist besser.“

Die biografischen Fakten Marie Curies kann man sicher an vielen Stellen nachlesen, doch die Kunst ist, aus bloßen Daten eine Geschichte entstehen zu lassen. Das gelingt den drei Autorinnen durch Zitate aus Tagebüchern und Briefen, die im Lebenslauf wohl nicht auftauchen würden. Beispiel: Marie und Pierre Curie  kaufen vom Geld, das sie zu ihrer Hochzeit bekommen, Fahrräder, mit denen sie durch Frankreich fahren. Oder sie haben zwei Kinder, aber die Großeltern kümmern sich um sie, weil die Eltern forschen. Und auch dies: Vermutlich sorgt erst Pierres Einwand bei der schwedischen Nobelpreis-Akademie dafür, dass Marie mit ihm gemeinsam den Nobelpreis erhält.

Was vielleicht nur in dieser Graphic Novel oder einem Film gelingt, ist, eine zweite Wahrnehmungsebene zu schaffen: Wie der Radium-Wahnsinn, den das Forscher-Paar durch seine Entdeckung des Elements Radium auslöst, sich in der damaligen Zeit zeigte – in radioaktiver Zahncreme, Radium-Wasser, Radium-Schokolade oder X-Ray-Seife, von der Autorin so gezeichnet, wie sie damals verkauft wurden.

Etwas mehr Details hätte ich mir über die tatsächliche Tätigkeit, dieses Radium zu entdecken gewünscht. Vermutlich muss die Pechblende, aus der das Paar Radium gewinnt gekocht werden – ich ahne es, weil Marie Curie in großen Töpfen rührt, wissen tue ich es nicht. Und leider führt die gewählte Schriftart dazu, dass ich beinahe einen Riesenfehler beim neu gewonnenen Angeber-Wissen gemacht hätte: Hier sehen nämlich das kleine t und der polnische Buchstabe ł fast gleich aus – so dass ich beinahe schon bei Maryas Geburtsnamen einen Fehler gemacht hätte.

Dennoch, mein Fazit zu diesem Buch: sehr lehrreich, lesens- und anschauenswert. Bis hin zu Marie (und Pierre) Curies Haltung zur Vermarktung ihrer Entdeckungen. Sie wollten, dass ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse der Allgemeinheit zur Verfügung stehen und nicht als patentiertes Wissen nur sie reich machen. Auch diese Entscheidung, Wissenschaft für alle Menschen zu betreiben, ist für mich: ein Licht im Dunkeln.

Julia Reinard

Frances Andreasen Østerfelt, Anja C. Andersen, Anna Błaszczyk: Marie Curie: Ein Licht im Dunkeln, Knesebeck Verlag, 2020